Die
neue

Welt

Detlef Borghardt ist CEO
von SAF-HOLLAND.

Prof. Dr. Frank Straube leitet
das Fachgebiet Logistik an der
TU Berlin.

Automatisierung und Digitalisierung verändern nicht nur Nutzfahrzeug und Trailer, sondern komplette Logistikketten. Wie Trends aussehen und was heute zu tun ist, damit die Transportwelt von morgen effizienter und nachhaltiger wird, diskutieren Prof. Dr. Frank Straube, Leiter des Fachgebiets Logistik an der TU Berlin, und Detlef Borghardt, CEO von SAF-HOLLAND, bei einem Zusammentreffen an der Kühne Logistics University in Hamburg.

SAF-HOLLAND - bereit für das Zeitalter der Digitalisierung
CEO Detlef Borghardt zu den wichtigsten Bestandteilen der Innovationsoffensive SMART STEEL.
Wir schauen gerade auf den Hamburger Hafen. Wenn wir uns in zehn Jahren wieder hier treffen: Was hat sich dann verändert?

DB:
Das Güterverkehrsaufkommen wird weiter steigen. Der Zuwachs findet allerdings vor allem in den Regionen statt, wo Bevölkerung und Wohlstand weiter steigen. Der Zuwachs an Transportleistung wird überwiegend auf der Straße stattfinden. Lieferverkehr mit Drohnen und Ersatzteile aus dem 3D-Drucker werden diese Entwicklung nicht stoppen. Eine Waschmaschine kann man nicht per Drohne zustellen, auch in zehn Jahren nicht. Zu niedrigeren CO2-Emissionen tragen wir als Zulieferer über immer leichtere Produkte bei, ein Kernthema unserer Forschung und Entwicklung.

FS:
Nicht nur am Hamburger Hafen wird es zu einer viel stärkeren Integration der verschiedenen Verkehrsträger kommen. Die Verkehrsträger werden nicht nur untereinander, sondern auch mit dem Transportgut vernetzt sein. Dabei werden nicht nur Daten ausgetauscht, sondern auch vernetzte Geschäftsmodelle gelebt. Weltweit sehe ich in den Logistikketten 20 Prozent Kostensenkungspotenzial und eine 30 Prozent höhere Zuverlässigkeit. Zudem müssen die CO2-Emissionen aus dem Transportsektor drastisch sinken.

„Wir müssen unsere Komponenten so intelligent machen, dass sie sich in digitale Lösungen unserer Kunden nahtlos einfügen.“ Detlef Borghardt, Chief Executive Officer (CEO)
Welche Chancen bieten digitalisierte Logistikketten?

DB:
Das kann ich für unsere eigene Produktion nur bestätigen. Die bei jedem Kunden universell einsetzbare Weltachse gibt es nicht, und ich sehe für eine Standardisierung des Angebots auch künftig keine Marktakzeptanz. Wir wollen jeden Kundenwunsch individuell erfüllen, solange der Kunde den Mehraufwand auch bezahlt. Es geht also darum, die zunehmende Variantenzahl intelligent zu managen und jederzeit lieferfähig zu sein. Die Stückzahlgröße eins ist in unserer Produktion durchaus nicht untypisch – und wir arbeiten dabei profitabel.

FS:
Im internationalen Transport läuft ein Containerinhalt bis zum Endkunden durchschnittlich durch die Hände von 14 voneinander unabhängigen Akteuren. Bislang optimiert jeder dieser Akteure seine eigene Kapazitätsauslastung. Um zu einem Optimum entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu gelangen, muss es gelingen, alle Akteure zu vernetzen. Und das in einer Logistikwelt, die sich dramatisch ändert. Es geht künftig nicht mehr darum, große Mengen einheitlicher Waren zum Konsumenten zu bringen, sondern darum, eine individualisierte und flexible Nachfrage zu befriedigen, ohne dass die Bestände in den Fabriken oder im Handel wachsen.

FS:
Ich bewundere das. Diese Flexibilität in der physikalischen Welt ist die Voraussetzung, um in der digitalen Welt von morgen erfolgreich zu sein.

Welche Rolle spielt autonomes Fahren? Und wie schnell kommt es?

DB:
Die Automatisierung wird in drei Stufen kommen. Den ersten Schritt sehen wir in internationalen Seehäfen, wo Schiffe mit 15.000 Containern innerhalb weniger Stunden entladen werden. Das funktioniert nur, weil ein Großteil der Prozesse bereits heute automatisiert ist. Weil hier viele Störfaktoren entfallen, wird es in den Häfen sehr schnell gehen. Den nächsten Schritt werden wir auf den Logistikhöfen sehen. Wie viele Schäden entstehen an Fahrzeugen oder Laderampen, nur weil der Trucker unaufmerksam ist? Bereits in den nächsten fünf bis zehn Jahren werden diese Hubs zu einem hohen Anteil automatisiert. Dafür benötigt man Lösungen, um Zugmaschine und Trailer automatisch zu kuppeln. Auf der Straße sehe ich den Schritt zum fahrerlosen Lkw in den Jahren 2025 bis 2030.

FS:
Dem schließe ich mich an, wobei in der dritten Stufe noch einmal zu differenzieren ist zwischen dem Langstreckenverkehr und dem innerstädtischen Verkehr. Die technischen Grundlagen für das hochautomatisierte Fahren sind bereits vorhanden. Wie schnell sich diese Technologien durchsetzen, hängt jedoch auch vom Verhalten der Flottenbetreiber ab. Es handelt sich dabei um einen fragmentierten Markt, allein in Deutschland gibt es schätzungsweise 60.000 Logistikunternehmen. Die größten zehn haben dabei einen Marktanteil von weniger als 20 Prozent. Zum Treiber werden könnten daher auch neue Akteure, etwa Logistik-Plattformen ohne eigene Flotten.

„Supply Chain Management ist absolute Chefsache.“ Prof. Dr.-Ing. Frank Straube, Partner der Kühne Logistics University

DB:
China könnte sich zu einem Leitmarkt für neue Technologien im Nutzfahrzeug entwickeln. In der Vergangenheit ging es dort vor allem um Kosten und nochmals Kosten. Das hat sich verändert, bei meinen letzten Besuchen habe ich vor allem über Bits und Bytes geredet. Das Transportvolumen in China ist in den letzten zehn Jahren explodiert, nun wird das Thema Sicherheit immer wichtiger. Das betrifft unser heutiges Portfolio direkt, weil beispielsweise Scheibenbremsen und Luftfederungssysteme immer häufiger nachgefragt und auch von den dortigen Behörden gefordert werden. Langfristig wird auch das automatisierte Fahren mit seinen Sicherheitsvorteilen für diesen Markt sehr interessant.

Wie wird die Transportwelt im Jahr 2025 aussehen? Welche Chancen bieten sich? Welche Rolle spielt SAF-HOLLAND dabei?
CEO Detlef Borghardt mit der Vision einer Zukunft, in der vieles ganz anders sein wird.
Welche Rolle spielt der Trailer in der neuen Transportwelt?

DB:
Das beginnt schon damit, dass der Fahrer der Zugmaschine seinen Trailer erst suchen muss. Ist er gefunden, dann beginnt ein heute noch vollständig manueller Vorgang des Koppelns. Das allein dauert zwischen vier und zehn Minuten. Mit der Sattelkupplung haben wir die Kernkomponente, um diesen Vorgang zu automatisieren.

FS:
Die Trailerhersteller werden sich an den Trends orientieren, die der Markt vorgibt. Das heißt, sie werden die notwendige Technik für Automatisierung und Digitalisierung bereitstellen müssen. Und sie werden einen Beitrag zu höherer Transporteffizienz leisten müssen. Ein Beispiel: In einem typischen Speditionshof vergehen 28 Minuten zwischen Arbeitsbeginn und Abfahrt.

Wie sieht in dieser Welt die Rolle von
SAF-HOLLAND aus?

DB:
Bereits heute können wir Daten, etwa zum Verschleiß einer Bremse oder den Temperaturen in einem Radlager, bereitstellen. Wir verknüpfen dabei gezielt Sensorik mit unseren mechanischen Komponenten und nennen das SMART STEEL. Der nächste Schritt besteht darin, diese Daten für eine vorausschauende Wartung zu nutzen – und zwar in Systemen, die unabhängig vom Hersteller eines konkreten Trailers funktionieren.

DB:
Unsere Aufgabe ist daher zunächst einmal, unsere Komponenten so intelligent zu machen, dass sie sich in automatisierte und digitale Lösungen unserer Kunden nahtlos einfügen. Allerdings ist der Trailer-Markt stark fragmentiert, es gibt weltweit tausende Anbieter. Mit den Lösungen, die wir im Rahmen unserer Strategie SMART STEEL entwickeln, können wir auch mittelgroße und kleinere Unternehmen auf dem Weg zum Smart Trailer unterstützen.

FS:
Wir alle müssen künftig nicht nur in Produkten denken, sondern auch in Dienstleistungen und digitalen Geschäftsmodellen. Für den Trailer heißt das: Warum sollte er, eingebettet in ein innovatives System der City-Logistik, nicht auch als intelligentes und vernetztes Zwischenlager dienen? Damit könnte sich auch die Rolle der Zulieferer ändern.

Woher nehmen Sie die dafür benötigte Software-Kompetenz?

DB:
Unsere Kompetenz besteht darin, Hochsicherheitskomponenten für das Nutzfahrzeug und den Trailer der Zukunft zu entwickeln. Die notwendige Software können wir in Partnerschaften mit klassischen IT-Unternehmen oder spezialisierten Elektronikzulieferern bereitstellen. Zudem bauen wir derzeit unser internes Digital-Team stark aus.

DB:
Für uns heißen die Themen der nächsten Jahre Autonomes Fahren, Elektrifizierung und Digitalisierung der Prozesswelt. Und wichtiger denn je ist aus unserer Sicht, gut zuzuhören, was der Markt will und mit allen Beteiligten im Dialog zu bleiben. Ihnen, Herr Professor Straube, daher herzlichen Dank für das Gespräch.

FS:
Man wird immer Hardware benötigen, solange Güter transportiert und nicht gebeamt werden. Es geht darum, Kompetenzen stärker zu vernetzen und nicht darum, dass jeder alles macht. Wir werden ganz neue Allianzen zwischen Fahrzeugherstellern, Zulieferern und Software-Unternehmen sehen.

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